Dienstag, 29. Juni 2010

Aller Anfang ist -einmal mehr- schwer...

Die ersten vier Tage nach dem Schlüpfen und nach der Übersiedlung in das grosse Becken haben sich die Nauplien prächtig entwickelt, waren zackig unterwegs und schienen sich, den Verdauungsfäden nach zu urteilen, auch zu ernähren. Am Tag Fünf nach der Übersiedlung fiel mir erstmals am Morgen auf, dass die Nauplien etwas langsamer unterwegs sind....liegt es an der Temperatur...oder gar am Sauerstoff? Am Tag Sieben sind auf einen Schlag nur noch etwa 20 % der Jungartemien am leben und während der nächsten drei Tage sollten schliesslich alle eingehen.
Also mal so viel zu Zuchtanleitungen im Sinne von: "Wasser, Salz, Luftpumpe und Futter und schon gibt's haufenweise Artemias". Forget it. Stundenweise durchkämme ich das Internet nach brauchbaren Zuchtanleitungen aber alle scheinen aus dem selben Horn zu blasen...und bei den meisten wird das Massensterben nach rund einer Woche als "halt normal" hingenommen... Nur ein kurzer Bericht aus Deutschland scheint etwas fundierter zu sein: http://www.lebendfutter-zucht.de/ausruestung1.html
Der Autor setzt sich mit dem Phänomen des Massensterbens auseinander und mutmasst, dass es den Artemien an richtigen Bakterien bzw. richtigem Futter fehlt. Was mir gefällt, ist sein Ansatz, dass man doch eigentlich versuchen sollte, die natürliche Umgebung der Artemien möglichst getreu nachzubilden. In einem Forum stosse ich zudem auf einen Erklärungsversuch, der den Nitrit-Peak (Anstieg von schädlichem Nitrit bei Neuansetzung eines Aquariums, der aber zum Einfahren des Stoffwechselkreislaufs dazu gehört) als Ursache für das Massensterben in's Zentrum stellt. Dem entgegen steht Massi's Aussage, dass Artemias seiner Erfahrung nach relativ Nitrit-resistent sind.
Der kleinste gemeinsame Nenner für all diese Mutmassungen würde sich doch eigentlich relativ einfach umsetzen lassen:
Die natürliche Umgebung von Artemias in einem Aquarium "nachbauen", das Becken schön einfahren lassen, damit sich alle für die Aufzucht notwendigen Algen und Bakterien bilden, und schlussendlich die Nauplien einsetzen.
So mach ich's! Als erstes bei der Natur die Umgebungsparameter abschauen...wo gibt es den Artemia in der Natur? Gemäss Wikipedia ist eines der weltgrössten Artemiavorkommen in den Salzseen in Utah (USA). Das Utah Water Science Center hat eine Website mit Informationen über verschiedene Wasserparameter (Temperatur, Salinität, PH-Wert, Planktonvorkommen, etc.) dieser Salzseen. Bsp.:
Detritus (Faulresten) scheinen dieser Website nach die Grundlage für die Entstehung von Bakterien und Plankton zu sein, welche wiederum zusammen die Hauptnahrung der Artemia-Nauplien bilden. Also offenbar braucht es einen Detritus-haltigen Bodengrund, der zusammen mit einer Planktonkultur die Basis für die gesamte Aufzuchtumgebung darstellt. Warum also sehen breitgestreute Aufzuchtanleitungen reines Salzwasser vor, das lediglich mit Aufzuchtfutter angereichert wird? ...das entbehrt sich völlig den realen Aufwuchsbedingungen von Artemien. Wir kaufen ja auch keine Doktorfische und setzen sie in frisch angesetztes Salzwasser...
Ich brauche also eingefahrenes Salzwasser, das bereits Bakterien enthält, Detritus und eine Starterkultur für Phytoplankton. Salzwasser und Detritus sauge ich problemlos aus meinem Meerwasser-Aquarium ab. Zusammen mit etwas eingefahrenem Sand bilde ich so den stark detritus-haltigen Bodengrund im kleinen Aufzuchtbecken (30 % Mulm/Detritus, 70 % Sand, zusammen etwa 5mm hoher Bodengrund). Ich gebe noch ein paar grössere Algen aus den Filterkästen meines grossen Aquariums in das Aufzuchtbecken, um dort allfällig auftauchendes Nitrat zu verstoffwechseln. Mit Belüftung lasse ich das Becken so eine Woche laufen. Eingefahren sind ja eigentlich alle Komponente, so dass es nicht erstaunt, dass Nitrit und Nitrat auch nach dieser Woche auf Null sind. Im Übrigen hat sich bereits ein feiner hellgrüner Algenteppich auf dem Beckengrund gebildet. Massi gibt mir noch ein vielversprechender Tipp: Um Phytoplankton zu erzeugen, soll ich direkt Artemia-Trockeneier in's Aufzuchtbecken geben, weil an diesen Eiern offenbar Planktonspuren aus dem natürlichen Habitat haften und im Wasser wieder zum Leben erweckt werden können. Leider kam dieser Tipp etwas spät, weil ich heute bereits die ersten, frisch-geschlüpften Nauplien wieder in das Aufzuchtbecken überführt habe. Besser wäre es also, die Nauplien nicht in einem separaten Behälter schlüpfen zu lassen, sondern einfach die Eier direkt in's Aufzuchtbecken zu geben...also wieder sehr nahe der Natur.
Auf jeden Fall, lasse ich meinen "Natur"-Versuch jetzt mal laufen...gegen Ende Woche wird's voraussichtlich wieder spannend.

Freitag, 18. Juni 2010

Artemia "Zucht"

Artemia sind eine Art Uhrzeitkrebse und dienen in der Aquaristik als hochwertige Nahrung für die Beckenbewohner. Üblicherweise werden Artemia gefroren gekauft, aufgetaut und dann verfüttert. Warum nicht selber züchten? Das tönt interessant, macht ökonomisch Sinn und freut die Fische...es gibt nichts besseres als Lebendfutter.
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Eine Recherche auf verschiedenen Websites ergibt folgendes Inventar, das für eine Aufzucht nötig ist:

- Artemia Eier
- Salz (ohne Jod, Trennmittel, etc.) ...idealerweise Meersalz für Aquarium
- Osmosewasser (ev. Leitungswasser, falls chlorarm)
- Hobby Schlüpfschale
- Aufzuchtbecken
- Belüftung (Pumpe, Schlauch, Ausströmer)
- Belichtung
- Futter

Ich kaufe für rund 25.- ein Aufzuchtbecken aus Plastik, samt Gitterabdeckung mit Futterlucke und Schlaucheinlass. Die Abdeckung ist wichtig, damit -vor allem jetzt im Sommer- nicht ständig Insekten in's Wasser fallen und dieses unnötig belasten. Die Luftpumpe von OBI für 9.- mit Schlauch und Ausströmer, Meerwassersalz sowie Osmosewasser habe ich bereits. Die Hobby-Aufzuchtschale habe ich ebenfalls von einem früheren Versuch. Im Baumarkt kaufe ich noch eine Clip-Lampe und Artemia Eier sowie Aufzuchtfutter ist im Grundsortiment jedes grösseren Aquaristikfachgeschäfts. Insgesamt für aquaristische Belange ein relativ günstiges Experiment.

1. Nauplien ("Baby-Artemias") schlüpfen lassen

Zu besagtem Zweck verwende ich die Hobby-Schlüpfschale. Es handelt sich hierbei um einen schliessbaren, schalenförmigen Behälter von etwa 25cm Durchmesser, der nur in der Mitte nach oben eine kreisrunde Öffnung von rund 3cm Durchmesser aufweist:
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Das Innenleben der Schale besteht aus Kammern, die mit lichtdurchlässigen Wänden getrennt und abwechslungsweise oben bzw. unten nicht an das Dach bzw. den Boden der Schale anschliessen, so dass eine Öffnung in die jeweils angrenzende Kammer entsteht:
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Die Schale wird bis zur vorgegebenen Markierung mit Salzwasser gefüllt (Salinität mind. 35), so dass alle Kammern geflutet sind. Danach gibt man eine Messerspitze Artemia-Eier gleichmässig verteilt in die äusserste Kammer, verschliesst die Schale und platziert sie optimalerweise unter einer Lichtquelle (Fenster od. Lampe).

Was passiert jetzt: Sobald die Artemiaeier mit Wasser in Berührung kommen, schlüpfen daraus nach rund 24 h die Nauplien...ein Wunder der Natur. Instinktiv bewegen sich die Nauplien in Richtung des Lichts, das von der Mitte der Schale aus durch die lichtdurchlässigen Trennwände bis in die äusserste Schale durchdringt. Auf ihrem Weg zur Mitte der Schale müssen die Nauplien, wie bei einem Hindernissparcour, abwechslungsweise oben und unten die Öffnungen zur jeweils nächsten Kammer durchqueren. Diese Schikane bezweckt, dass die frisch geschlüpften Nauplien von den Eierschalen getrennt werden. Sind die Nauplien nach ihrer ersten Reise in der Mitte angekommen, kann man sie bequem mittels passendem Sieb abfischen und in ein Aufzuchtbecken geben, bzw. verfüttern. Bei Nauplien handelt es sich im Wesentlichen um kleine zuckende Punkte, die für die Fütterung von ausgewachsenen Fischen kaum geeignet sind (Bei Fischaufzuchten, sieht es natürlich anders aus).
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2. Artemia aufziehen

Dieser Teil der Zucht scheint, so haben bisherige Versuche gezeigt, etwas schwieriger zu sein. Das Aufzuchtbecken fasst in meinem Fall rund 7 Liter Wasser. Genau so, wie bei einem Wasserwechsel im Aquarium, setze ich Meerwasser mit Salinität von rund 34 an und gebe es in das Becken. Der Schlauch von der Luftpumpe kann bequem durch die dafür vorgesehene Öffnung in der Abdeckung in das Becken eingelassen werden. Als Ausströmer verwende ich eine Nadel aus dem medizinischen Bedarf...Ausströmersteine sind anscheinend nur bedingt geeignet, weil sich die Nauplien darin verfangen könnten (...ob das wirklich stimmt...).
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Die Einrichtung platziere ich am Fenster, so dass nebst der künstlichen Lichtquelle auch Tageslicht eindringen kann. Künstlich wird 24 h belichtet, was -der aquaristischen Literatur nach- optimal ist....entsprechend bietet sich eine Sparlampe an. Die Temperatur im Becken sollte 20 °C nicht unterschreiten...in der Wohnung üblicherweise ja kein Problem.
Ja und so sieht das dann aus:
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Seit dem ich die Nauplien aus der Schlüpf-Schale in das Aufzuchtbecken gegeben habe ist nunmehr eine Woche vergangen. Aus nur einer Messerspitze sind hunderte von Nauplien geschlüpft... unglaublich. Nach einer Woche sind sie jetzt dem unten aufgeführten Lebenszyklus nach etwa in Phase zwei; D.h. die zwei Schwimmarme werden langsam durch die Beinchen abgelöst:
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Momentan läuft die Aufzucht super. Ich füttere mit Mikrozell, ein sgrünes sehr feines Pulver zur Aufzucht von Artemia. Ich löse das Futter vorab in Wasser auf und filtere es nochmals durch ein Artemia-Sieb, damit wirklich nur die kleinsten Partikel in's Aufzuchtbecken kommen. Offenbar würde sich auf normale Hefe aus der Lebensmittelabteilung als Futter eignen. Mein Becken ist wirklich voll von Artemia-Babys (pro cm3 etwa 3 Stück) und so gebe ich täglich eine Messerspitze Futter zu und warte mit der nächsten Fütterung, bis das Wasser wieder vollständig "klar-gefressen" ist. 3 Tage nach dem Einsetzen der Nauplien bemerkte ich, dass das Wasser, welches zu diesem Zeitpunkt schon bereits während 5 Tagen unter sehr spärlicher Belüftung angesetzt war, zu riechen begann. Sofort wechselte ich 2/3 des Wassers. Wichtig hierbei ist, dass natürlich das Wasser durch ein Sieb abgesogen wird, damit nicht Nauplien versehentlich im Abfluss landen.
So, mal schauen, wie's weiter geht....man soll den Tag ja nicht vor dem Abend loben und offenbar ist es durchaus üblich, dass rund 90 % der Nauplien nicht durchkommen...we will see.